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War YU so viel schlechter?

Verfasst: 8. Mär 2016 21:39
von robbie-tobbie
Hey Folks,

verdammt mich nicht direkt, wenn ich ein eventuell schon oft angesprochenes Thema wieder aufgreife...

ich schiebe vielleicht grad auf Grund eines Todesfalles in der Familie einen Moralischen, aber ich stelle mir grad wirklich die Frage:

war Jogoslawien wirklich sooo schlecht? Klar, ich erinner mich an einige negative Dinge, wie z.B. dass man auf einen Fahrradschlauch ein paar Wochen warten musste, dass man an den Grenzen von den Grenzern (laut meinem Vater alles besch... Srbijanci :wink: ) wie Verbrecher behandelt wurde, aber: die Leuts waren damals alle viel entspannter. Keine Kohle, man konnte nur "sto-enka" oder hinterher "Yugo" neu kaufen (die rosteten alle schon im Prospekt), Mopeds gab´s nur von Tomos (diese robusten Dinger würde ich mir heute wieder wünschen!), als ich im Urlaub damals vor meinem Cousin eine Dose Coca-Cola öffnete, schaute der mich total ungläubig an, Getränkedosen gab´s damals noch nicht in YU... aber alle gut drauf!
Der Müll wurde in der "jama" abgelagert und verbrannt - aus heutiger Sicht alles unvorstellbar. Aber das Gefühl, für den Oppa zum "Mercator"-Tante-Emma-Laden mit Bedieung einkaufen zu gehen, mit ein paar Dinar extra für eine "Lucka" - unbezahlbar! Bei der Kartoffelernte als kleiner Bub geholfen, den ganzen Tag malocht - und es war trotzdem schön. Bei der Weinlese die verdammt schweren "Püta" den Berg raufgeschleppt (sorry für die vielen stairischen Ausdrücke), abends gemütlich zusammen gesessen, es gab immer viel zu fettes, aber verdammt leckeres Essen. Die olle vergammelte Salami, die im "Vikend" im Weinberg an der Decke hing, dazu immer viel frisches Gemüse, rohe aufgeschnittene Zwiebeln und das aus heutiger Ernährungs-Sicht katastrophal Ballaststoff-arme, aber trotzdem leckere, Weißbrot. Mann, was verzehre ich mich danach!

Wenn ich dann heute nach Slo fahre, und an jeder Ecke, LIDL, ALDI (Hofer), SPAR, DM und wie sie alle noch heißen sehe, denke ich mir so oft: verdammte freie Marktwirtschaft. Ich fand´s ja noch okay, als Slo den "Tolar" hatte, aber seit Slo in der EU ist, habe ich das Gefühl, dass ALLES den Bach runter geht - nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Menschen und das menschliche Miteinander an sich. Hab ich da so eine verzerrte Wahrnehmung???

VIele Grüße, Robert

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 8. Mär 2016 22:02
von robbie-tobbie
Und um dem Ganzen noch einen aufzusetzen:

Hier erscheint normalerweise ein Video von YouTube. Bitte wende dich an einen Administrator.
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Viele Grüße, Robert

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 9. Mär 2016 17:47
von France Prešeren
Das kommt drauf an. Für mich im Urlaub war es in Jugoslawien schöner als es das jetzt in Slowenien ist. Allerdings war ich auch bedeutend jünger und gänzlich sorgenfrei. Ein reines Abenteuer, das ich in vollen Zügen genießen konnte.

Frage ich allerdings die Menschen, die ausschließlich dort gelebt haben, so fällt mir spontan absolut niemand ein, der sich in der Gesamtheit die jugoslawischen Verhältnisse zurück wünscht. Klar gibt es Aussagen, dass dieses oder jenes besser war, doch die paar Vorteile kommen nicht annähernd an die vielen Nachteile heran.

Was das Zwischenmenschliche angeht, ist auch mein Eindruck, früher war der Zusammenhalt stärker. Das hat m. E. jedoch nichts mit Jugoslawien zu tun. Das hat viel mehr mit der Natur des Menschen zu tun. Haben alle dieselben Probleme und dieselben geringen Mittel zur Verfügung, schweißt das zusammen. Ich gehe fest davon aus, dass das in allen Ländern so ist, die in so kurzer Zeit einen solchen Wandel durchlebt haben. Auch Bürger der ehemaligen DDR erzählen davon.

Slowenen sind sehr froh, dass Hofer und Lidl als auch Spar nach Slowenien gekommen sind. Obwohl die Discounter Slowenien erobert haben und dort selten Produkte billiger sind als in Deutschland, ist Mercator weiterhin sündhaft teuer im Vergleich. Man stelle sich vor, Mercator wäre immer noch ein Monopolist. Die Preise würden durch die Decke gehen. Auch muss niemand mehr Baumaterial illegal aus dem Ausland einführen, damit man ein Haus bauen kann oder sanieren kann. Sogar eine Stereoanlage haben wir nach Jugoslawien schmuggeln müssen, weil brauchbare Anlagen dort unerschwinglich waren. Meine Cousine bestellte sich damals einen Yugo, sie durfte sogar die Farbe wählen. Abgesehen davon, dass man Jahre darauf warten musste, musste man das Auto nehmen wie es kam, und es kam natürlich in dem Einheitsbeige. Man konnte es ablehnen, aber dann bekam das Auto jemand anderes und selber schaute man in die Röhre. War das damals wichtig? Natürlich nicht, denn so ging es jedem.

Persönlich vermisse ich vor allem die Schokoroladen von damals. Es gibt sie zwar wieder, aber leider schmecken sie völlig anders.

Um auf die Eingangsfrage zurück zu kommen. Diese Frage kann für sich nur beantworten, wer schon immer in Slowenien gelebt hat. Von außen betrachtet tut man sich leicht, nur die damaligen Vorteile Jugoslawiens zu sehen, denn die anderen Vorteile konnten in Deutschland problemlos genossen werden. Die vielen Nachteile zeigten sich mir im Urlaub nahezu nie, Urlaub eben.

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 9. Mär 2016 19:46
von MOMO
Bild

:lolwackel: :lolwackel:

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 10. Mär 2016 10:00
von robbie-tobbie
@France: Danke für Deine sehr ausführliche Antwort - beim Lesen derselben ist mir bei jedem Satz mindestens eine Schuppe aus dem Auge gefallen. So wie Du es beschreibst, muss man es tatsächlich sehen. Die rosarote Sicht von jemandem wie mir, der dort immer nur Urlaub gemacht hat, ist sicher nicht die Einzige (und erst recht nicht die Richtige). Übrigens: sehr strukturierter Text, Stil, Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung perfekt - hast Du beruflich irgend was mit Schreiben zu tun?

@MOMO: klasse Foto :lachend:

Viele Grüße
Robert

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 10. Mär 2016 13:51
von France Prešeren
Danke für das Lob. :oops: Nein, in meinem Job muss ich in allererster Linie quatschen. :schimpf:

Was mir noch zu Tomos und Schläuchen einfiel. Eine meiner Cousinen hatte natürlich auch so ein Mofa. Was habe ich mich immer gefreut, mit dem Ding mal herum zu fahren. Nicht ein einziges Mal kam es dazu, weil einer der beiden Reifen stets einen Platten hatte und, wie du schon schriebst, man immer ewig auf einen Ersatzschlauch warten musste. :schnupf:

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 11. Mär 2016 09:56
von robbie-tobbie
France Prešeren hat geschrieben:....Nein, in meinem Job muss ich in allererster Linie quatschen. :schimpf:
Lehrer oder Politiker? :lolwackel:
France Prešeren hat geschrieben:....
Was mir noch zu Tomos und Schläuchen einfiel. Eine meiner Cousinen hatte natürlich auch so ein Mofa. Was habe ich mich immer gefreut, mit dem Ding mal herum zu fahren. Nicht ein einziges Mal kam es dazu, weil einer der beiden Reifen stets einen Platten hatte und, wie du schon schriebst, man immer ewig auf einen Ersatzschlauch warten musste. :schnupf:
Hatte mir von meinem Ersparten damals selber so eine "Cebelica" kaufen können, ich meine, die kostete unter 700,-DM nagelneu. Meine Tomos war Container-grün :shock:
Den "Führerschein" dazu habe ich damals in YU in den Ferien gemacht, da man diese Dinger dort schon mit 14 fahren durfte - das waren die einzigen Ferien, in denen ich jemals gebüffelt habe :lachend:
Und als ich den Lappen hatte, ist das Mopped nicht mehr kalt geworden. Das gesamte Taschengeld wurde in Benzin investiert, ich kannte jeden kleinen Feldweg im Umkreis von 100km wie meine Westentasche. Der König der Landstraße. Und das arme Mofa stand ja -bis auf die Ferien- immer nur in der Garage rum und oxidierte vor sich hin...
Ach ja, Helmpflicht gab´s damals auch noch nicht, man durfte zu zweit auf den Dingern fahren und brauchte keine Zulassung / Versicherung. Heutzutage unvorstellbar...

Das Problem mit den Schläuchen hab ich dann gelöst, indem ich mir aus Deutschland welche mitgebracht hatte - die hielten eh viel länger als die guten "Sava"-Teile :wink:

Ach, schon sehr schöne Erinnerungen!

Viele Grüße
Robert

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 13. Mär 2016 21:38
von Šumava
Živjo, nemščina gospoda "Prešerna" je res odlična, tega sem opazil tudi jaz kot Bavarec :-)

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 26. Mär 2016 19:43
von Benutzer 989 gelöscht
robbie-tobbie hat geschrieben: Hab ich da so eine verzerrte Wahrnehmung???
Jedenfalls standen zu früheren Zeiten reihenweise Traktoren und Zastavas vor den Gostilnas....sieht man heute
eher weniger.
Da fuhren die Altbauern wie in Frankreich auf einen Pernod, kava zur Brotzeit in das Bistro hin. Kontrollen gab es
da fast kaum welche, ausser die Moped-Sherriffs auf der Bundesstraße/Begunje. Da spielten die Herren Sheriffs noch
ordentlich Beamtenmikado: " wer sich zuerst bewegte....der verlor "

Wobei in der Piraner/Portorozer Ecke die Mofafahrer schon gehörig kontrolliert wurden. Irgendwo, in einem
Hinterhof-Sherriff-Lager, ...stapelten sich die Tomos damals auf mehreren Paletten...( die Frisierten ? )

ps. aber wenn man heute einen Kroat, Slowenen, Bosnier fragt....winken die Meisten ab. YU, war für die
Serben ganz spannend, weil diese überall ihre Finger drinn hatten und sich bezahlen haben lassen.
Aber sonst...sind die Nostalgiker recht rar.
YU ist vorbei ...


ps.
Wieviel DM/Euro waren rund 100.000 jug.Dinar Ende 80, umgerechnet noch wert? ....damals konnte man um das
Pulver noch einen Rohbau hinstellen lassen... das waren noch Zeiten :ostern_schoko:


Statistik - Kroatien 2012: > 500 Tote, allein durch Sprengminen

Re: War YU so viel schlechter?

Verfasst: 16. Jun 2016 17:14
von Trojica
Hallo.....mein Schatz sagt ganz klar, sie ist froh dass Yu Geschichte ist. Sie hat in der Yu-Zeit begonnen eun Haus zu bauen. Sie ist beinahe wahnsinnig geworden....ohne D ging gar nix. Und das Wenige was es in Yu gab war qualitativ fragwürdig. Die Bürokratie war immens und träge, ohne Bakschisch ging gar nix. So der Tenor meines Schatzes.

Ich kanns nur subjektiv beurteilen...wenn man den Bereich der freien Marktwirtschaft verlies, merkte man das optisch deutlich...wenn ich damals an Maribor /Lent denke, vegammelt, desolate Bausubstanz....

Heute präsentiert sich Slo sauber, elegant und modern. Ich werde mit viwl Freude Besuch zu uns nach Slo einladen und stolz zeigen, in welchem schönen Land wir leben.

Klar, der Preis der freien Marktwirtschaft war und ist für die Slowenen hoch. Doch man muss objektiv sein...ohne Yu und ohne Kommunismus hätte kein Slowene im Ausland sein Brot verdienen müssen!

Was mich erschreckt sind die immer noch funktionierenden Kommunikationskanäle der Kommunisten, auf denen sie Teile der Bevölkerung erreichen....letztes Beispiel....unsere Gegend in Slo wurde Ende April von starken Spätfrösten heimgesucht. Es wurden grosse Teile der Wein-,Nuss- und Maisernte vernichtet.... Da verbreiteten die Kommunisten, an dieser Musere ist dfie Nato schuldig...und das wird geglaubt....und diesbezüglich gibt es noch viele Beispiele...

Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis sich diese Propagandaquellen biologisch auflöen.

LP



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